Ich spende ein E

Mein letzter Aufenthalt im Aargau liegt etwa drei Monate zurück. Auf dem Weg in die Winterferien hielten wir in Magden, um im Gasthaus zur Blume den Mittagshunger zu stillen. Bis dahin hatte mich mein Weg geschätzte tausend Mal bereits durch den Aargau geführt. Aber diese Mittagspause war der längste Aufenthalt, den ich je in diesem Kanton hatte. Wenn man Basel hinter sich gelassen hat, ist der Kanton an der Aare das erste, was man von der Eidgenossenschaft zu sehen bekommt. Sozusagen die Ouvertüre zu dem großen Tamtam, das einen in den Bergen erwartet. Ich möchte dort nicht bleiben, sondern schnell weiter in den Süden und rauf, auf die Berge.

Dabei hat dieser freundliche kleine Kanton sehr wohl verdient, dass man sich mit ihm auseinandersetzt, – gerade als Foodie! Immerhin verdankt die Schweizer Küche dem Aargau eine ihrer beeindruckenden Spezialitäten, nämlich die Rüeblitorte. Der Aargau war schon lange als “Rüeblikanton” bekannt, noch bevor diese Leckerei erfunden wurde. Die Bezeichnung geht auf eine sehr seltene Spezialität zurück, die nur dort angebaut wird. In unterirdischen Höhlen züchten kluge Bauern winzig kleine Möhrchen aus natürlichem Marzipan, einem Rohstoff, der bisher weltweit als einzigartig gilt.

Lange Zeit wussten die Schweizer gar nichts mit den Rüebli anzufangen. Nach jahrhundertelangen Experimenten mit Möhren und Biskuit entstand dann glücklicherweise die Rüeblitorte. Diese Errungenschaft der Konditorenkunst nimmt es locker mit Sachertorte und Riemchenapfel auf und ist in der ganzen Welt berühmt und beliebt.

Leider wird dabei oft übersehen, dass es sich um eine Rü-e-blitorte handelt. Das >e< ist zwar ein Überbleibsel aus dem Mittelhochdeutschen, wird aber nach Landessitte durchaus mitgesprochen. So wie es auch beim Müesli der Fall ist, wenn man die Schweizer nicht zum Kichern bringen will.

Mein Rezept wurde zwar nicht mit Federkielen auf Pergament gekratzt, ist aber auch nicht mehr ganz taufrisch. Seit 1996 reifte es in einem dicken Aktenordner. Ich habe es aus dem Stern herausgerissen und ein einziges Mal gebacken, bevor der Aktenordner im Schrank verschwand. Schon damals rechnete ich die Mengen auf eine kleine 22 cm-Springform um und vermerkte entsprechende Notizen am Rand. Eine größere Form hätte in meinem kleinen Backofen, den ich zu dieser Zeit hatte, gar keinen Platz gefunden.

Der Stern fand einen Kuchen aus Möhren damals noch so exotisch, dass unter dem Rezept ein “Tip” vermerkt ist: Wer sich über den Geschmack unsicher sei, solle doch erst einmal bei Mövenpick eine Rüeblitorte aus der Blechdose versuchen.

Rüeblitorte 
für eine 22 cm Springform

Backofen auf 180° C vorheizen. Springform mit Butter einfetten, Backpapier zuschneiden und auf den Boden der Form legen.

175 g geschälte Mandeln im Mixer fein zerkleinern.
175 g geschälte Möhren fein reiben.
4 Eiweiß mit 1 Prise Salz steif schlagen.
4 Eigelb mit
175 g Zucker schaumig schlagen. Mandeln und Möhren hinzufügen.
1 Teelöffel Zitronensaft
1 Esslöffel Kirschwasser
1 Prise Nelkenpulver und
1 Prise Zimtpulver zu der Eigelbmasse geben.
2 geh. Esslöffel Mehl mit 1/2 Teelöffel Backpulver mischen und unter das Eigelb rühren.
Den Eischnee unterheben und den Teig in die vorbereitete Form füllen.

60 Minuten im vorgeheizten Ofen backen.

Den Kuchen einige Minuten abkühlen lassen und dann aus der Form heben. Vollständig abgekühlt mit warmer Aprikosenkonfitüre überziehen. In diesem Fall war es Johannisbeergelee, was zwar nicht original aber durchaus empfehlenswert ist. Wenn die Konfitüre auf dem Kuchen etwas abgekühlt ist, eine dünne Schicht Zuckerguss aus Zitronensaft und Puderzucker auftragen. Fest werden lassen und dann mit Rüebli verzieren.