Budino di Ricotta nach Artusi

Nur mit diesem einzigen Satz erwähnt Jean Anthèlme Brillat-Savarin in seinem Werk „Physiologie des Geschmacks“ sein Nachbarland Italien.

Dass weit mehr als nur die Petersilie die kulinarische Identität Italiens ausmacht, beweist einige Jahrzehnte später Pellegrino Artusi mit seinem 1891 veröffentlichten Kochbuch „Von der Wissenschaft des Kochens und der Kunst des Genießens (La scienza in cucina e l’arte di mangiar bene)“. Der weitgereiste Tuchhändler und leidenschaftlicher Gourmet gilt mit seiner umfassenden Rezeptsammlung, zusammengetragen aus allen Ecken des Landes (dabei muss erwähnt werden, dass das Mezzogiorno damals schon einfach unter den Tisch fiel), als Begründer der Nationalküche Italiens. Der einzige Weg, die Bewohner der italienischen Halbinsel langfristig als Volk zu vereinen, führte durch den Magen. Und diesen Weg hat Artusi, ob gewollt oder ungewollt, mit seinem Werk maßgeblich beeinflusst – vielleicht sogar erst richtig in Gang gesetzt.

Petra hatte die wunderbare Idee, aus alten Kochbüchern und nach alten Meistern zu kochen. Bis Ende des Monats sammelt sie Beiträge zu Artusis Rezepten. Weil ich eine Schwäche für alte Rezepturen, Genusskünstler und Gastrosophen habe, musste (!) ich einfach Petras Aufruf folgen und ein Gericht aus Pellegrino Artusis Lebenswerk kochen. Besser gesagt backen. Denn bisher habe ich nur süße Gerichte von Artusi nachgekocht (Emiko Davies widmet sich auf ihrem wunderschönen Blog oft und ausführlich Artusis Rezepten).

Mir gefällt die Schlichtheit seiner Rezepturen bzw. der alten Gerichte. Alles ist auf wenige Zutaten und klare Aromen reduziert. Wie auch dieser Budino di Ricotta. Ein gebackener Pudding. Ein Zwischending aus Flan, Soufflé und Käsekuchen. Statt Mehl werden gemahlene Mandeln verwendet, die eine nussige Stütze zur leichten Säure des Ricottas geben. Wer auf Weizenmehl verzichten möchte/muss und trotzdem gerne Backwerk nascht, sollte sich ohnehin an Artusis Rezepte halten. Er und seine Zeitgenossen verzichten oft auf die Zugabe von Weizenmehl, ohne sicherlich jemals was von „glutenfrei“ gehört zu haben. Mal verwendet er Kartoffelstärke (Torta Margherita), mal feine Polenta (Polenta-Holunderblüten-Kekse) oder, wie bei diesem gebackenen Pudding oder bei jenem Grießkuchen, blanchierte und zu einer feinen Paste gemörserte Mandeln.

Typisch für alte Rezepturen und Artusi ist eine auffällig hohe Eimenge. Die Eier müssen wohl vor über 120 Jahren sehr viel kleiner gewesen sein. Für Artusis Rezepte wähle ich daher möglichst kleine Bio-Eier aus oder reduziere um ein Ei, falls sie doch größer sein sollten.

Mir ist aufgefallen, dass all diese sehr alten Gerichte geschmacklich gesehen nach dem ersten Bissen keine Jubelschreie verursachen. Man wartet eher, bis etwas kommt. Nur – es kommt nichts. Zunächst. Die Gerichte sind sehr zurückhaltend, fast reserviert. Erst beim stillen Weiterlöffeln kommt dann irgendwann doch der Moment, in dem man gerade diese unprätentiöse Eigenwilligkeit zu schätzen lernt.

Bild 510

Budino die Ricotta sollte gut gekühlt serviert werden und ist schnell gemacht. Mit frischen Früchten oder Kompott (Beeren oder Steinobst) kombiniert ein unkompliziertes Sommerdessert, das man perfekt vorbereiten kann. Auch leichte Abwandlungen mit Orangenblütensirup (oder gar ganzen gekochten und pürierten Zitrusfrüchten) kann ich mir sehr gut vorstellen.

Budino di Ricotta nach Pellegrino Artusi
via Juls‘ Kitchen

Zutaten (für eine 18-20 cm Form s.u. Tipps)

300 g Ricotta
100 g Puderzucker
100 g blanchierte Mandeln
5 Eier (sehr kleine, sonst auf 4 Eier reduzieren)
etwas Zitronenabrieb

Butter und Paniermehl für die Form

Zubereitung:

  1. Blanchierte Mandeln mit einem Eiweiß in einem Mörser zu einer Paste verarbeiten. Je feiner, desto besser.
  2. Ricotta eventuell durch ein Sieb streichen, falls zu hart und klumpig. Mit der Mandelmasse vermengen. Zitronenabrieb und Zucker hinzugeben.
  3. Restliche Eier und das Eigelb hell und dick aufschlagen. Die Eimasse unter die Ricottamasse heben.
  4. Eine feuerfeste Form gut buttern und mit Paniermehl ausstreuen. Den Teig in die Form gießen und bei 170 Grad ca. 50-60 Minuten goldbraun backen. Stäbchentest machen. Aus der Form stürzen und zunächst bei Raumtemperatur auskühlen lassen. Abgedeckt im Kühlschrank bis zum Servieren kühlen. Pur oder mit Obst servieren.